A WIE ANSTRENGUNG
Eltern haben den (verständlichen!) inneren Drang, ihre Kinder vor Anstrengung, Misserfolg und Enttäuschung zu bewahren. Ich übrigens auch!
Manchmal möchte man den Jüngsten gerne jeden noch so kleinen Stein aus dem Weg räumen. Man möchte sie warnen, begleiten, bewahren. Man möchte sie vor zu viel Anstrengung und Mühen bewahren, damit sie noch genügend Energie haben für die wirklich schönen Dinge im Leben. Denn schließlich wollen wir alle leben, um zu arbeiten, und nicht arbeiten, um zu leben.
Doch tut man den Kindern damit wirklich etwas Gutes? Ein gesundes Maß an Anstrengung setzt ungeahnte Kräfte frei.
Das eigene Helikoptern reflektieren
Woran liegt es, dass Eltern ihren Kindern noch im ersten Lebensjahr mit glücklichen Augen dabei zuschauen, wie sie bei ihren ersten wackligen Laufversuchen immer wieder auf dem Hintern landen und ab dann jedes Verhalten nach dem Schema „trial and error“ vermeiden? An welchem Punkt schlägt der Stolz plötzlich um in Sorge? Wovor haben wir Eltern Angst? Welche Schmerzpunkte aus unserer eigenen Vergangenheit berühren unsere Kinder, sodass wir Glück immer mit leicht verbinden?
Erfolge und Ergebnisse sind an Mühen und Anstrengungen geknüpft – intrinsisch (aus uns selbst heraus) oder extrinsisch (durch einen äußeren Anlass) motivierte. Wie viele glückliche und zufriedene Menschen kennen Sie in Ihrem direkten Umfeld, die von sich selbst behaupten würden: „Mir ist im Leben immer alles in den Schoß gefallen und ich bin total happy darüber“?
Natürlich gibt es diese Menschen, denen alles nur so zuzufliegen scheint. Aber schauen wir uns diese Menschen doch einmal genauer an (sie sehen, ich lasse nicht locker):
- Kennen wir diesen Menschen wirklich gut genug, um behaupten zu können, dass diese Person für ihre eigene Zufriedenheit keine Entbehrungen in Kauf nehmen muss?
- Haben reiche und erfolgreiche Menschen automatisch weniger Sorgen und Probleme? Sie haben recht – viele Probleme lassen sich mit Geld lösen. Aber auch Erfolg ist an Sorgen geknüpft.
- Können Sie sich ein Leben ohne Anstrengung vorstellen? Worauf soll man dann noch stolz sein? Woher soll dann die Antriebskraft kommen, dranzubleiben?
Worauf ich hinaus will?
Anstrengende Tätigkeiten, die Überwindung und Disziplin erfordern, sind ein Gewinn für unsere Psyche! Aber wie sich das anfühlt, ist einer der vielen Lernprozesse im Laufe eines Lebens.
Kinder im Glauben zu lassen, man könnte auch auf „spielerische Weise“ jede Menge lernen, kann negative Folgen für die eigene Anstrengungsbereitschaft haben. Selbstverständlich lernen wir auch im Spiel, vielleicht lernen wir im Spiel auch sehr viel mehr, als wir dies am Schreibtisch je könnten.
Dennoch sollten Kinder frühzeitig erleben, dass Erfolge Spaß machen können! Anstrengungen, sind sie richtig eingesetzt, können Freude bringen, wenn das angestrebte Ziel erreichbar scheint. Ein sogenannter Flow setzt Endorphine und Serotonin frei – also Glücksgefühle, die unser Handeln positiv bestärken. Und auch ein verfehltes Ziel kann neuen Anreiz geben, es beim nächsten Mal anders zu machen.
Mit gutem Beispiel vorangehen und Anstrengung vorleben
Viel zu häufig treffen Erwachsene Aussagen wie „Die Arbeit ist zu stressig!“ oder „Das ist viel zu anstrengend für mich!“ und merken so oft gar nicht, wie sie den Kindern schon früh den Wunsch nach einem störungs- und anstrengungsfreien Leben vermitteln.
Realitätsnähere Aussagen wären jedoch „Na klar schaffen wir das! Wir haben schon ganz andere Sachen geschafft!“ oder „Und hinterher belohnen wir uns so richtig!“. Sie geben Mut und motivieren!
Und auch die Vorbildrolle ist bei Lernprozessen nicht zu unterschätzen! Kinder übernehmen oft unterbewusst
- unsere Gewohnheiten,
- unsere Bereitschaft, am Ende eines langen Tages nochmal die Unterlagen durchzugehen,
- die Freude an einem Ausflug, obwohl dieser an einen langen Fußmarsch geknüpft ist,
- die Offenheit dafür, sich neues Wissen anzueignen oder
- den Ton unserer Stimme in stressigen Situationen.
Und eben auch unsere Marotte, Anstrengungen aus dem Weg zu gehen.
! Ich möchte an dieser Stelle jedoch ausdrücklich betonen, dass ich hiermit NICHT dazu aufrufe, Kinder einer Dauerbelastung auszusetzen mit dem Argument, dass man mit ausreichend Anstrengung JEDES Ziel erreichen kann.
♥ Verlassen Sie sich auf Ihr Gefühl, wann das Maß voll ist und eine andere Lösung hermuss.
LERNEN UND KOMPLEXITÄT
Wenn Kinder die an sie gestellten Erwartungen nicht erfüllen (können), dann gibt es selten die eine Ursache und die eine Lösung. Menschen sind komplex und genauso komplex sind ihre Stärken und Schwächen.
Oder wie ich es gerne sage: Es gibt keine einfachen Lösungen für schwierige Probleme.

MEHRSPRACHIGKEIT UND LRS
Mehrsprachigkeit bedeutet für das Gehirn, komplexere Informationen zu verarbeiten.
Denn eine Sprache wird in der Regel nicht nach Länderzugehörigkeit gelernt, sondern nach Gesprächspartner.
Deswegen können Kindergartenkinder beispielsweise auch die Wörter, die sie benutzen, nicht nach Sprachen unterscheiden. Aber sie können unterscheiden zwischen den Wörtern, die sie mit ihren Eltern verwenden und den Wörtern, die sie im Kindergarten benötigen.

PASSIVES LERNEN
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Zu lernen, ohne etwas dafür zu tun, wird nicht funktionieren!
Es ist so ähnlich wie dieses immer wieder groß beworbene passive Einkommen. Aber jeder, der es schon einmal damit versucht hat, Geld zu verdienen und dabei nicht einen Finger krumm gemacht zu haben, wird wissen: Das funktioniert nicht!
Die Frage ist also nicht: Wie kann ich es möglichst vermeiden zu lernen? Wie kommen die Inhalte in meinen Kopf, ohne dass ich ihn anstrengen muss (also passiv). Diese Fragestellung führt zu nichts.
Die Frage muss vielmehr lauten: Wie kann ich meine Ressourcen bestmöglich nutzen? Welche Methoden sind für mich besonders effektiv, um in wenig Zeit viel zu schaffen und die Inhalte auch noch langfristig abzuspeichern.
Der Artikel „Passives Lernen“ beschäftigt sich also vor allem mit ressourcenorientierten Ansätzen, um das notwendige Übel wenigstens zu einem gewissen Anteil angenehm zu machen.
Wobei ich gestehen muss, dass ich meinen Schüler*innen gegenüber beim Thema Lernen niemals von einem „notwendigen Übel“ sprechen würde! Lernen zu wollen, lernen zu können und lernen zu dürfen, ist eine Lebenschance, die es sich zu nutzen lohnt!
Das Leben ist zu schön, um es anderen zu überlassen!

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