RECHTSCHREIBUNG UND SCHREIBSCHRIFT BEDINGEN EINANDER
Die Entwicklung der Schreibschrift
Schreibschrift ist für Kinder immer häufiger eine Herausforderung. Immer weniger Kinder können Schreibschrift noch problemlos lesen, geschweige denn selbst in Schreibschrift schreiben.
So ist mancherorts der aktuell Stand:
In vielen Grundschulen lernen Schülerinnen und Schüler zunächst die Druckbuchstaben, später kommt die Schreibschrift hinzu. Wenn die Kinder beide Schriften kennen, dürfen sie wählen.
Ein unkluger Schachzug
Aus pädagogischer Sicht ist diese Herangehensweise ein unkluger Schachzug. Denn nach dem Schreibschrift-Lernkurs gehen viele Kinder zurück zur Druckschrift. Dies allerdings nicht, weil sie sich intensiv mit den Vor- und Nachteilen der einzelnen Schriftarten auseinandergesetzt haben. Mit ausreichend Wissen und nach langem Abwägen hätten sie dann nämlich eine Entscheidung pro Schreibschrift getroffen.
Aber nein, so funktioniert das mit der Motivation nicht. Sie gehen zurück zur Druckschrift, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht sehr routiniert sind in ihrer eigenen Handschrift. Sie empfinden das Schreiben in Schreibschrift als langsamer und anstrengender. Das sind in der Regel auch die Aussagen, die mir meine Trainingskinder zurückmelden. Woher sollen sie auch wissen, dass die Anstrengung mit der Zeit nachlässt? Stattdessen werden Kinder sogar dabei unterstützt, der Anstrengung aus dem Weg zu gehen. Welches Kind würde bei einem solchen Angebot schon nein sagen?
Manchmal wird der Rückgang zur Druckschrift auch damit begründet, dass die Schreibschrift zu unsauber ist, zu unleserlich für die Lehrkräfte. Doch auch hier muss man schauen, woran das liegen könnte. Richtig: mangelnde Routine macht Abläufe langsamer, unsicher und ruckelig – das ist übrigens nicht nur beim Schreiben so. Schaffen wir deshalb nun das Laufenlernen ab, weil ein Kind mit 18 Monaten noch ziemlich oft über seine eigenen Füße fällt?
Dabei ist die Schreibschrift für den Prozess des Lesen- und Schreibenlernens von unermesslicher Bedeutung
• Um nur einen Aspekt zu nennen: Die Abstände zwischen den Buchstaben variieren in Druckschrift oft voneinander. Der Prozess des Lesens der eigenen Handschrift verlangsamt sich also dadurch, dass die Buchstaben erfasst und aneinandergereiht werden müssen. Zusätzlich muss das Gehirn noch Konzentration aufbringen, um im Satzzusammenhang zu erkennen, ob die Buchstaben zum gerade gelesenen Wort oder zum neuen Wort gehören.
⇒ Beispiel: I c h m ö c h t e e i n e i s k a l t e s E i s.
ein oder eine? Das erschließt sich erst, wenn man den Rest des Satzes kennt.
• Ebenso sind einzelne Buchstaben in Druckschrift nur schwer voneinander zu unterscheiden und dies umso schwieriger, je unsauberer die Handschrift: l / L ; f / t ; s / S, z / Z, w / W.
• Auch die Unterscheidung von b / d und q / p ist ein häufiges Problem, das mit einer Lese-Rechtschreibschwäche einhergeht. Kennen Kinder mit einer LRS den Unterschied zwischen “Leber” und “Leder” nicht? Ich denke schon!
Wortgrenzen, Groß- und Kleinschreibung und manchmal sogar ganze Wortbedeutungen müssen also während des Lesens und Schreibens kognitiv erschlossen werden.
Mal ganz davon abgesehen, dass Schreiben auch die Feinmotorik und die Konzentration trainiert.
Die Folge einer nicht automatisierten Handschrift
Zu beobachten sind dann schnelles Ermüden beim Lesen und Schwierigkeiten, das Gelesene wiederzugeben. Von “locker aus dem Handgelenk” kann beim Schreiben Rede sein. Das Schreiben in Druckbuchstaben dauert außerdem insbesondere bei längeren Texten sehr viel länger. Da im Grunde nach jedem Buchstaben abgesetzt wird, wird neben der Zeit auch mehr Muskelkraft in der Hand verbraucht.
Keine Wunder also, dass Kinder, die nie in den Genuss einer flüssigen Schreibschrift gekommen sind, die Freude am Schreiben verlieren. Und je länger die zu schreibenden Texte werden, umso größer ist der Frust.
Dabei ist doch genau das Gegenteil das Ziel: Eine schnelle und flüssige Handschrift soll uns befähigen, auch längere Texte (Briefe, Geschichten, Notizen, Mitschriften) zu schreiben – mit Freude und Leichtigkeit! Der Fokus unserer Konzentration soll auf dem Inhalt liegen. Nicht darauf, dass die Buchstaben diesmal nicht so abgehackt aussehen und im besten Fall auch noch auf der Zeile liegen.
Dass Schreib- Rechtschreib- und Leseleistungen keine voneinander trennbaren Basiskompetenzen sind, zeigt auch eine Studie, die ich Ihnen an dieser Stelle verlinken möchte. Hier konnte eine Korrelation dieser Fertigkeiten gezeigt werden.
Das Fazit für die Schreibschrift
Untersuchungen zeigen, dass Kinder mit einer sauberen Schreibschrift auch bessere Rechtschreibleistungen erzielen. Es scheint also eine direkte Verbindung zu geben zwischen einer klar erkennbaren Buchstabenfolge, einem zusammenhängenden Wortbild und der Abspeicherung der Wörter.
In meinen Augen ist die Korrelation von Rechtschreibung und Schreibschrift ein logisches Ergebnis: Denn was das Gehirn immer wieder eindeutig erkennt, kann vom Gehirn auch eindeutig abgespeichert werden.
Oder von der anderen Seite betrachtet: Wie soll die Abspeicherung eines Wortbildes gelingen, wenn es im Grunde kaum zu erkennen ist.
Jedes Kind kann sein Fahrrad bis ins kleinste Detail beschreiben. Dem wäre sicherlich nicht so, wenn es jeden Tag anders aussehen würde.
Das Beispiel funktioniert auch anders herum. Ich habe beispielsweise sehr lange gebraucht, um rechts und links zu unterscheiden. Noch heute ist es so, dass ich manchmal nur dann sicher weiß, wo links ist, wenn ich zuvor auf meine rechte Hand geschaut habe. Ein klarer Fall von: Nie sicher abgespeichert! Ich muss also aktiv darüber nachdenken, wo rechts und links ist. In einer sehr hektischen Situation kann das dann schon mal verwirren.
Und wir reden hier “nur” von EINEM Merkmal, nämlich rechts ODER links.
Was also im Kopf passiert, wenn ich nicht sicher abrufen kann,
• in welche Richtung ich einen Buchstaben schreiben muss,
• ob ein Wort groß oder klein geschrieben wird,
• dass ein I-Punkt automatisch gesetzt wird,
• ob ein Wort mit einem einfachen oder einem Doppelkonsonanten oder vielleicht doch einem Dehnungs-H geschrieben wird,
• welcher Buchstabe ins Dachgeschoss oder in den Keller gezogen werden muss,
• ob das kleine “b” jetzt den Bauch vor oder hinten hatte,
• ich bei all diesen Gedanken aber auch noch eine strukturierte Inhaltsangabe aufs Papier bringen muss und
• mein Sitznachbar die ganze Zeit komische Geräusche mit seinem Stift macht …
… also ich kann mich in dieses Kopfchaos sehr gut hineinversetzen!
S WIE SELBSTORGANISATION
Der Übergang vom Kindergarten zur Schule ist oft ein großer Schock. Alles, was vorher sorgsam von Erzieherinnen, Erziehern und Eltern begleitet wurde, muss das Kind nun von einem auf den anderen Tag alleine können – vom gebundenen Schnürsenkel bis zum gepackten Turnbeutel. Dass das nicht von heute auf morgen gelingen kann, ist logisch. Und dennoch wird es oft vorausgesetzt.
Dieses Kopfchaos führt unweigerlich dazu, dass in einem Text einige aufeinanderfolgende Wörter
• richtig geschrieben sind
• auf der Zeile gelandet sind oder
• leserlich geschrieben sind …
… aber selten alles gleichzeitig.
Ob wir wollen oder nicht, assoziieren Menschen eine saubere Handschrift beispielsweise auch mit den charakterlichen Eigenschaften Sorgfalt und Ordnung. Unsere Handschrift stellt damit ein Aushängeschild für unse Stärken und Schwächen dar. Ob diese Korrelation tatsächlich existiert oder nicht, sei erstmal dahin gestellt. Aber wir sind alle nur Menschen. Und der sogenannte “erste Eindruck” muss oft mit Mühe und Not wieder gerade gerückt werden, wenn er einmal negativ ausgefallen ist. Wir können nun entweder laut auf die Straße gehen und gegen dieses Klischee ankämpfen. Oder wir können unsere Kinder davor bewahren, in diese Falle zu tappen. Im besten Fall sollten wir beides tun.
Ich plädiere also dafür, die anfänglichen Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten bei der Schreibschrift in Kauf zu nehmen! Die Arbeit an der Ursache ist hier effektiver als die Arbeit am Symptom!
Das bedeutet konkret:
• Überlassen Sie ein sauberes Schriftbild nicht dem Zufall! Erst, wenn alle Buchstaben flüssig und sicher geschrieben werden können, kann sich allmählich auch das Schreibtempo erhöhen.
• Achten Sie darauf, dass die Buchstaben der korrekten Schreibrichtung folgen. Die Linien sollten also rechts enden, so dass sie direkt mit dem folgenden Buchstaben verbunden werden können. Hierfür gibt es klare Vorgaben und Übungen, die die optimale Schreibrichtung lehren. (Die konkreten Links finden Sie weiter unten.)
• Lassen Sie sich nicht von Aussagen beirren, wie „aber eine langsame Druckschrift ist immer noch besser als eine nicht lesbare Schreibschrift“. Denken Sie immer an das 18 Monate alte Kind. Niemand käme auf die Idee, zu sagen „krabbeln ist immer noch besser als ständig zu stürzen“.
Mit einer sauberen und flüssigen Handschrift lässt sich also der Fokus beim Schreiben sehr viel stärker auf die Rechtschreibung legen. Und durch das immer wieder sauber lesbare Wort, werden Wortbilder schneller langfristig abgespeichert. Rechtschreibleistungen können demnach nicht nur durch das Trainieren des Schreibens an sich verbessert werden, sondern zusätzlich durch das Schreiben in Schreibschrift.
Bevor es Missverständnisse gibt
Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen, möchte ich einen Punkt noch einmal klar und deutlich formulieren:
Eine saubere und leserliche Schreibschrift zu können, verdammt ein Kind nicht dazu, sie jederzeit und ausnahmslos anwenden zu müssen. Selbstverständlich dürfen Kinder auch in Druckschrift schreiben, wenn sie dies gerne MÖCHTEN. Dieser Entscheidung liegt dann jedoch eine klare Vorliebe zugrunde. Und Kinder, die die Schreibschrift flüssig beherrschen, sind in einem “Notfall” IN DER LAGE, von ihrer selbst gewählten Druckschrift zur Schreibschrift zu wechseln. Sie müssen also keine Angst davor haben, dass die Zeit für die Textanalyse zu knapp wird. Sie müssen sich in der Klassenarbeit nicht entscheiden zwischen 1. nicht lesbar oder 2. unvollständig. Sie können jederzeit flüssig aus dem Handgelenk schreiben und sich voll und ganz auf den Inhalt konzentrieren. Der Zeitdruck belastet das Schriftbild nicht.
Mit der Zeit dürfen und sollen sich individuelle Handschriften entwickeln. Diese sind oft eine Mischung aus Druck- und Schreibschrift. Manche Buchstaben bleiben verbunden, andere nicht. Doch um diese zu entwickeln, brauchen Kinder das Wissen über Buchstabenverbindungen. Eine Routine des Anwendens und Übens (also des regelmäßigen Schreibens!) macht es erst möglich, eine Handschrift zu optimieren.
Ich durfte schon seeeehr viele Schriftproben in meinem Leben gesehen. Und wenn weder ich, noch das Kind erkennen können, was im Schulheft steht, dann ist ein ” is halt so” schlichtweg fehl am Platz. Nein! Dann besteht dringend Handlungsbedarf, damit das Kind befähigt wird, mit seinen Unterlagen zu arbeiten und zu lernen! Ich gehe sogar soweit und nenne es fahrlässig, Kinder ihrer schlechten Handschrift zu überlassen.
Übernehmen Sie die Verantwortung für den schulischen Erfolg Ihres Kindes
Hier appelliere ich ganz konkret an Sie, liebe Eltern, Verantwortung zu übernehmen! Ich weiß, dass es in erster Linie die Aufgabe ausgebildeter Lehrkräfte und dem System Schule ist, Ihr Kind zum Schreiben zu befähigen. Wenn dies allerdings (aus welchen Gründen auch immer) nicht passiert ist, dann bitte ich Sie: Nehmen Sie die Sache in die Hand! Investieren Sie Zeit und Motivation in eine flüssige Handschrift! Ersparen Sie sich und Ihrem Kind die aufreibenden Diskussionen über das schlechte Schriftbild und machen Sie Ihr Kind autonom!
Die Diskussionen darüber, ob Handschrift angesichts eines digitalen Zeitalters noch eine angemessene Fertigkeit ist, darf man führen. Der Punkt, dass digitale Geräte und Technologien ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil unseres Alltags sind, ist nicht zu vernachlässigen. Eine Elterninitiative Gründen? Eine Petition unterschreiben? Das dürfen wir gerne aus tiefster Überzeugung tun oder aus tiefster Überzeugung lassen.
Doch in erster Instanz, sind wir dafür verantwortlich, dass unsere Kinder einen mit positiven Gefühlen besetzten Schulalltag erleben. Es ist unsere Aufgabe, dass sie ihre Vokabeln lernen, ihre Übungssätze schreiben und für den nächsten Test lernen. Und dafür ist – Stand heutiger Tag – eine saubere und leserliche Handschrift notwendig!
Die Lerntherapeutin Dr. Dina Beneken berichtet davon, dass die Schülerinnen und Schüler in ihrem Handschrifttraining schon nach wenigen Wochen deutliche Verbesserungen zeigen.
Da das Thema Schreiben, wie wir gesehen haben, so eng mit dem Thema Rechtschreibung verbunden ist, habe ich Dr. Dina Beneken deshalb um einen Gastartikel gebeten. Den habe ich auch bekommen – wofür ich sehr dankbar bin! Denn ihre Expertise ist ein wichtiger Baustein für den Erfolg Ihres Kindes!
Aus diesem Grund teile ich aus vollster Überzeugung nicht nur das Handschrifttraining von Dr. Dina Beneken, sondern auch ihre Materialien für das Üben zuhause.
→ Hier finden Sie Übungsmaterialien exemplarisch für den Buchstaben “k”.
→ Das Ganze gibt es auch im Paket.
Eine flüssige und saubere Handschrift ist in jedem Fall eine lohnenswerte Investition in die Zukunft!
LERNTHERAPEUTIN DR. DINA BENEKEN BRINGT ES AUF DEN PUNKT
ÜBUNGSMATERIALIEN
Bei Wachsenlernen finden Sie übrigens nicht nur kluge Sprüche, sondern die Arbeitshefte zu verschiedensten Themen der deutschen Rechtschreibung und Grammatik gleich mit.
√ Schritt für Schritt werden die Themen erklärt.
√ Zahlreiche Übungen festigen das Gelernte.
√ Lösungen dienen der Selbstüberprüfung.
√ Der wiederkehrende und strukturierte Aufbau macht es möglich, auch mehrere Arbeitshefte individuell zusammenzustellen.
⇒ Die Arbeitshefte sind einzeln (Klick) erhältlich oder im Paket (Klick).
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DER PASSENDE STIFT
→ Fehlerfreie Texte gibt es im Grunde nicht.
→ Auch innerhalb eines Wortes kann es zu mehreren Fehlern kommen.
→ Neu schreiben bedeutet nicht automatisch, dass das Wort nun richtig geschrieben wird.
Es ist also oft nur eine Frage der Zeit, bis das Blatt Papier aussieht wie das Schlachtfeld eines Schriftstellers.
Ich empfehle deshalb in Übungsphasen Stifte, die sich problemlos und möglichst ohne Spuren so oft wie möglich wieder wegradieren lassen.
Für meine Trainingskinder nutze ich deshalb die Stifte von Frixion*, die es mittlerweile in sehr vielen Farbvarianten und auch als Marker gibt.
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Ü wie Üben - aus "Kinder mit LRS stärken"
Das Üben hat nach meinem Empfinden einen sehr schlechten Ruf bekommen. Dabei ist es vor allem eines: Das Einschleifen von Abläufen, sodass diese ohne Anstrengung abgerufen werden können.
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